könnte „tatort schwarzwald“ sein: ein paar trostlose fichten, irgendwo im halbdunkel ein hirsch, der schäbige wohnraum in schummrigem licht, ein chaotischer keller, das schlagzeug hämmert, tauben und eine krähe flattern durch die szenerie – alles bedeutungsschwanger, alles bedrückend. in diesem setting zeigt séverine chavrier an der comédie de genève ihre version von thomas bernhards sehr dunklem roman „das kalkwerk“ (1970). frau chavrier ist die neue direktorin des immer noch sehr neuen schauspielhauses. das theaterinteressierte genf war also gespannt auf ihre inszenierung, die vor eineinhalb jahren am teatre nacional in barcelona entstand. „ils nous ont oubliés“, wie chavriers fassung heisst, ist die geschichte einer verzweifelten paarbeziehung, eine fallstudie aus der mitte der gesellschaft. er ein erfolgloser intellektueller, sie auf den rollstuhl angewiesen, er terrorisiert sie mit seinen experimenten, sie terrorisiert ihn mit ihrer hilflosigkeit, er quält sie mit kropotkin, sie ihn mit novalis, er bringt sie schliesslich um. chavrier ist auf der höhe der theaterkunst, sie nutzt die riesige bühne der comédie geschickt und nicht überbordend für immer neue effekte, arbeitet mit viel sound, mit live-video, mit sich überlagernden projektionen – und mit zwei hervorragenden darstellern, marijke pinoy und laurent papot. mit marathon-energie absolvieren die beiden dieses kammerspiel der psychischen grausamkeiten, das thomas bernhard mäandern lässt zwischen bitterböser farce und brutaler tragödie, im zentrum immer der hass und das nicht-voneinander-lassen-können, das den menschen zum monster macht. dieser „cauchemar“ ist in den ersten beiden akten von packender intensität, verliert sich im dritten teil allerdings in einer oft etwas banalen beliebigkeit. die luft ist draussen. kein wunder, wer hält schon dreieinhalb stunden ehehölle aus?
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