Sonntag, 24. Dezember 2023

BERN: MACBETH

immer wieder tauchen sie auf. sie tauchen auf am rand der riesigen runden scheibe, auf der sich alles abspielt. mal strecken sie eine blutige hand in die höhe, mal packen sie sich ein bein, im halbdunkel rappen sie sich durch ihre düsteren vorahnungen oder springen wie wilde teufel auf die spielfläche, sie umgarnen und umschmeicheln ihn, sie packen und sie würgen ihn - ihn, macbeth, den ehrgeizling und massenmörder. die drei hexen werden in der inszenierung des berner schauspielchefs roger vontobel zu hauptfiguren. lucia kotikova, kilian land und linus schütz sind nicht einfach drei irre schwestern, die mit ihren prophezeiungen ab und zu das spiel vorantreiben, nein, permanent schleichen sie umher, vontobel arrangiert sie superb zu einer choreografie des unterbewusstseins: in diesen furchterregenden figuren begegnet sich macbeth immer selbst. werner wölbern halluziniert, sein macbeth ist kein siegesgewisser machtmensch, sondern zutiefst verunsichert, unruhig, von ängsten und zweifeln getrieben (gespielt wird die fulminante fassung der shakespeare-expertin elisabeth bronfen). die leichen, die seinen weg säumen und sich vor seinen augen plötzlich blutig wieder zu bewegen beginnen, sind ihm keine trophäen, sondern müll, den er möglichst schnell aus dem kopf haben will. lady macbeth, die ihren mann anstachelt, in ihrem machthunger viel selbstsicherer, bösartiger und rücksichtsloser als er, rückt in diesem setting in den hintergrund. susanne-marie wrage zeigt sie nicht als treibende kraft, eher als sidekick, eine gemeine einflüsterin. so bleibt hier alles konsequent fokussiert auf werner wölberns widerlichen wicht, der unbedingt könig werden will und dabei nicht nur endloses chaos anrichtet, sondern selber ein bemitleidenswertes chaos ist: „mein hirn ist voll von skorpionen.“ die hölle, live.

 

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