Freitag, 7. April 2023

ZÜRICH: DAS GEWITTER UND DIE KUNST DES STERBENS

das kleine theater neumarkt in zürich legt gerade das grandioseste theatergewitter hin: in sekundenbruchteilen verdunkelt sich die szenerie, aus den boxen pisst es massivst, aggressive stroboskopblitze durchzucken den raum, der donner grollt und knallt bedrohlich, minutenlang, die perfekte illusion – und kein tropfen wasser. der österreichische regisseur franz-xaver mayr präsentiert mit „das gewitter“ ein stück, nein, eine performance über das enden der zeit. sofia elena borsani, sascha özlem soydan und robert rožić spielen total speedig-spleenig drei junge menschen, die auf der flucht vor einem gewitter unterschlupf in einem gruselhaus finden und hier, während der sand unaufhörlich von der decke rieselt, auf sich selbst zurückgeworfen werden, auf ihre vergänglichkeit und endlichkeit. noch einmal erinnern sie sich, an den campari am meer, an die schrägsten orgasmusgeräusche, an mehr-generationen-überforderungsprojekte und wie weinen ihr leben bereichert hat. spielend bewältigen sie wahnwitzige textkaskaden und, das war die vorgabe der regie, in den lücken zwischen den worten lauert der tod. die lücken haben es also in sich: es ist zeit, abschied zu nehmen. immer wieder muss man an herrn geiser aus max frischs „holozän“ denken, der beim gewittersturm im valle onsernone in endzeit-panik gerät. doch im gegensatz zu dem einsamen, alten mann sind die drei fragezeichen, pardon, die drei freunde nicht auf ihre eigene endlichkeit fixiert, hier punktet die neue generation, sie denkt über sich hinaus: alles geht zu ende, der wald bedankt sich bei den spielenden kindern und verabschiedet sich, die sonne kündigt ihr auslöschen an. zwischen pop und poesie weitet dieses famose bühnengedicht unseren blick auf die kunst des sterbens.  

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