das kleine
theater neumarkt in zürich legt gerade das grandioseste theatergewitter hin: in
sekundenbruchteilen verdunkelt sich die szenerie, aus den boxen pisst es
massivst, aggressive stroboskopblitze durchzucken den raum, der donner grollt
und knallt bedrohlich, minutenlang, die perfekte illusion – und kein tropfen wasser.
der österreichische regisseur franz-xaver mayr präsentiert mit „das gewitter“ ein
stück, nein, eine performance über das enden der zeit. sofia elena borsani,
sascha özlem soydan und robert rožić spielen total speedig-spleenig drei junge
menschen, die auf der flucht vor einem gewitter unterschlupf in einem
gruselhaus finden und hier, während der sand unaufhörlich von der decke
rieselt, auf sich selbst zurückgeworfen werden, auf ihre vergänglichkeit und
endlichkeit. noch einmal erinnern sie sich, an den campari am meer, an die schrägsten
orgasmusgeräusche, an mehr-generationen-überforderungsprojekte und wie weinen
ihr leben bereichert hat. spielend bewältigen sie wahnwitzige textkaskaden und,
das war die vorgabe der regie, in den lücken zwischen den worten lauert der
tod. die lücken haben es also in sich: es ist zeit, abschied zu nehmen. immer
wieder muss man an herrn geiser aus max frischs „holozän“ denken, der beim gewittersturm
im valle onsernone in endzeit-panik gerät. doch im gegensatz zu dem einsamen,
alten mann sind die drei fragezeichen, pardon, die drei freunde nicht auf ihre
eigene endlichkeit fixiert, hier punktet die neue generation, sie denkt über
sich hinaus: alles geht zu ende, der wald bedankt sich bei den spielenden
kindern und verabschiedet sich, die sonne kündigt ihr auslöschen an. zwischen
pop und poesie weitet dieses famose bühnengedicht unseren blick auf die kunst
des sterbens.
Freitag, 7. April 2023
ZÜRICH: DAS GEWITTER UND DIE KUNST DES STERBENS
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