die frisch manikürte hand einer frau, die tot am boden liegt – dieses bild aus butscha, das viral ging, wird in den münchner kammerspielen gross an die wand projiziert. darunter entwickelt sich eine diskussion über nagellack, eine frau möchte die selbe farbe. es ist diese absurdität, dieses unmittelbare nebeneinander von krieg und alltag, das sich durch „green corridors“ zieht. die ukrainische dramatikerin natalia vorozhbyt hat dieses stück im auftrag der kammerspiele für das festival „female peace palace“ geschrieben, das sich dem mut und den visionen von frauen im widerstand widmet. vier sehr unterschiedliche frauen (drei von ihnen werden von ukrainerinnen gespielt) sind auf den zivilen fluchtkorridoren unterwegs in ein anderes leben: eine mit drei kindern, eine mit zwei katzen und russischer mentalität, eine mit einem tonnenschweren ego und eine, die nicht aus angst weggeht, sondern weil es ihre erste möglichkeit ist, sich von der mutter zu lösen. vorozhbyt erzählt diese transit-biografien mit schwarzem humor und regisseur jan-christoph gockel lässt sie so frontal spielen, dass sie massiv einfahren. „wo hat europa seine augen?“ steht als frage immer im raum. europa wird personifiziert in der figur einer beamten, die sich den flüchtlingen gegenüber zuerst peinlich verhält, dann durchdreht, und schliesslich tut ihr – zu spät – alles leid. ja, europa! ein subtil-suggestiver soundtrack und comicartige live-zeichnungen begleiten die reise durch die träume und albträume dieser frauen, und spotartig wird auch noch der gewaltsame tod dreier persönlichkeiten aus der ukrainischen geschichte abgehandelt. der abend ist überfrachtet – und er ist berührend und beängstigend und chaotisch wie das leben in zeiten des krieges.
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