Freitag, 25. Juni 2021

MÜNCHEN: HAMLET UND DER ELEFANT

der elefant im raum: keiner spricht offen über den mord an hamlets vater durch hamlets onkel, der sich so nicht nur an die krone, sondern auch an die königin ranmacht. robert borgmann lässt in seiner inszenierung am residenztheater in münchen einen überlebensgrossen elefanten auf die von weissen vorhängen umrandete bühne plumpsen, aufblasbar und durchsichtig. und hamlet, der traumatisierte jüngling, verführt die ganze höfische bande zu einem irren spiel mit diesem riesenelefanten, einem absurden, stummen tanz der verlogenheit. johannes nussbaum ist ein sehr jungenhafter hamlet und ein fabelhafter dazu, wie ein wichtel wuselt er wuschelköpfig durch die szenen, tänzelt lasziv wie ein kleiner nijinsky über dem sinnlich-suggestiven e-klangteppich von rashad becker, brüllt auch mal aggressiv, er hat die fäden in der hand, will das spiel durchschauen und hintertreiben. so initiativ und aktiv haben wir hamlet noch nie gesehen, mehr schiller als shakespeare. das theater im theater, das den neuen könig seiner untaten überführen soll, inszeniert er als dröhnendes grusical. doch dann verliert sich borgmanns regie in der beliebigkeit ihres ideenreichtums: songs, textbezüge, bilderfluten. dieses ganze hamlet-package erschlägt auch hamlet selbst. zwei grosse auftritte werden johannes nussbaum noch gegönnt: einerseits ein berührendes klagelied (kroatisch?), das er ganz allein auf der riesigen bühne zu einem kampflied werden lässt, und schliesslich der kippmoment: „von jetzt an mal´ ich mit blut meine gedanken.“ der rest ist schweigen, und die luft ist raus aus dem elefanten.

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