Dienstag, 26. Februar 2019

ZÜRICH: DAS LEBEN DES VERNON SUBUTEX

„ausser der zerstörung meiner leber brachte ich nicht mehr viel zustande.“ herzschlag wummert raumfüllend durch den saal. es ist der herzschlag einer generation von perspektivlosen. der saal des theaters neumarkt in zürich wurde mit viel alu und farbigen neonröhren zur billig-disco umgestaltet, über die ganze länge führt ein blitzförmiger laufsteg, das publikum sitzt zu beiden seiten. auf diesem laufsteg schreitet und schlurft vernon subutex sein leben ab. der anti-held aus virginie despentes‘ roman-trilogie hat die zukunft hinter sich. er führte einen beliebten plattenladen, doch jetzt: job weg, wohnung weg, er surft von freundin zu freund, von couch zu couch und kann, natürlich, nirgendwo länger bleiben, denn den anderen geht es nicht besser. der famose martin butzke zeigt diesen subutex als dünnhäutigen, verletzlichen mann, der auch in den miesesten ecken seines lebens nie einen letzten rest an würde verliert. lieber dröhnt er sich zwischendurch wieder mal mit seinen lieblingssongs zu als aggressionen an anderen loszuwerden. und wenn er, nur noch mit der unterhose bekleidet, am strassenrand kniet und bettelnd zu einem grossen monolog ansetzt, dann berührt auch dies umso mehr, weil es eher nach reflexionen in einer therapiesitzung tönt als nach hasspredigt. regisseur peter kastenmüller bündelt die vielen handlungsfäden, die unverblümte sprache und die sounds der zeit mit seinem präsenten, facettenreichen ensemble zu einem eindrücklichen, streckenweise sehr bunten, streckenweise sehr tristen requiem. auch ein paar happenings in parks täuschen nicht darüber hinweg, dass die zeiten schlecht sind. mit „das leben des vernon subutex“ hat virginie despentes die ängste und die wut der gilets jaunes schon vorab aufgegriffen. voilà, la vie. viereinhalb stunden. fährt ein.

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