Dienstag, 1. Juli 2014

BASEL: DAS WEISSE VOM EI

französische komödien leben von türen, die sich im falschen moment öffnen, von den falschen menschen, die durch diese türen treten, von sprachwitz, von anzüglichkeiten und vor allem von einem teuflischen tempo. christoph marthaler gönnt sich am theater basel ein spässchen damit, er riskiert eine paradoxe intervention. er packt sich die farcen "la poudre aux yeux" und "un mouton à l'entresol" von eugène labiche, garniert sie mit jelinek, carroll, jonke und meyrinck, nennt das ganze "das weisse vom ei", lässt in der comme en france schrecklichen kulisse die comme en france schrägen vögel auftreten - aber: keine spur von tempo, das stück wird bis zur unkenntlichkeit entschleunigt, die bürgerliche gesellschaft in ihre einzelteile zerlegt. man bekommt noch knapp mit, dass sich emmeline und frédéric zugetan sind und dass sie beide in einem hochkomplexen verhältnis zu ihren jeweiligen eltern stehen, die sich gegenseitig aufs übelste beschnuppern. diese handlung allerdings wird zur blossen folie, auf der sich marthaler austobt, indem er zum beispiel die unsitte des à-part-sprechens (ans publikum gerichtete vertraulichkeiten) ad absurdum treibt oder indem er seinen fulminanten protagonisten kollektives nasenbluten verordnet oder indem er ausgestopfte vögel in die harfe und hirschgeweihe zwischen oberschenkel klemmen lässt. nur, sehr viele spässchen ergeben nicht zwingend einen spass. auf der bühne darf einer reichlich und redundant schnarchen.

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