berge
von kleidern bedecken die grosse bühne im münchner volkstheater, schwarze
kittel, schwarze hosen, schwarze hemden. es sind die kleider der toten juden aus
dem ghetto von wilna/vilnius, 50´000, 60´000, vielleicht noch mehr. leichenberge
als kleiderberge – auf diesem chaotisch-düsteren terrain siedelt christian
stückl „ghetto“ von joshua sobol an. ein paar ghetto-juden spielen hier
ghetto-theater, weil theater hilft, das schöne und gute nicht zu vergessen;
weil theater hilft, die richtigen fragen zu stellen; weil theater hilft im
kampf, ein mensch zu bleiben; weil theater ablenkt. srulik und seine freche
bauchrednerpuppe mit unnachahmlichem reich-ranicki-sprech halten die truppe
über wasser, robert joseph bartl spielt das absolut berührend zwischen
abnehmender hoffnung und zunehmendem humor. er bleibt das warmherzige zentrum
in diesem stück, das ganz beiläufig immer wieder die harten moralischen fragen
stellt: darf man einige menschen opfern, wenn man viele andere retten kann?
darf man die medikamente der todgeweihten zurückhalten für jene mit
überlebenschancen? darf man mit nazis kollaborieren, wenn es den juden nützt?
obwohl die jungen schauspieler ihre figuren (den ss-offizier, den jüdischen
ghetto-chef, den geschäftstüchtigen schneider) oft gefährlich nahe am klischee
spielen, wird der abend nie oberflächlich, sondern bleibt – dank srulik und
dank der sensiblen präsenz von drei klezmer-musikern auf offener bühne – ein
melancholischer und beklemmender totentanz. eine hoffnung gibt es nicht, für
niemanden, aber es gibt das theater.
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