am
anfang ist die bühne der münchner kammerspiele leer. leer und weit. diese weite
wird in nachtblaues licht getaucht und erweist sich schnell als trügerisch. wir
sind in einer kleinstadt im süden amerikas. zwei blonde tussen quatschen sich
voll und machen unvermittelt klar, dass die weite die gedanken der menschen hier
nicht zu erfassen vermag. in den köpfen herrschen enge, intoleranz, neid,
angst; die nachtblaue idylle ist nur fassade. in dieses system schleust
tennessee williams in „orpheus steigt herab“ einen vagabundierenden musiker ein
(marlon brando machte ihn bekannt in „the fugitive kind“). diese übungsanlage
nutzt sebastian nübling in seiner münchner inszenierung für ein geradezu
physikalisches experiment, wo unsichtbare kräfte sichtbar werden, wo körper und
seelen magnetischen wellen ausgeliefert sind, wo anziehendes und abstossendes zur
explosiven mischung geraten. dazu nimmt er im verlauf des abends ein
farbensattes kettenkarussell zu hilfe – und den 28jährigen risto kübar aus
estland, der nicht einfach schauspieler ist, sondern traumtänzer, sänger, poet,
akrobat; einer, der dieses provinzkaff nicht mit grossen gedanken oder grossen
gesten aufmischt, sondern durch seine blosse, unfassbare anwesenheit. eine mysteriöse
wucht, dieser mann. das menschenexperiment endet mit einem tödlichen schuss. er
verhallt schnell in der nachtblauen weite. und das karussell dreht sich weiter.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen