Montag, 4. Juni 2012

CHUR: MARÍA DE BUENOS AIRES

die frau, die stadt, der tod. der schatten von maría wandelt nach ihrer beerdigung ziellos zwischen grabdenkmälern und schreibt im halbdunkel einen traurigen brief an die bäume und die kamine der stadt, man möge maría nicht vergessen. „maría de buenos aires“ ist die tango-oper des argentinischen komponisten astor piazzolla und des uruguayischen poeten horacio ferrer: sie zeichnen die geschichte der textilarbeiterin aus den einwanderervierteln, der das bandoneón versuchung und verhängnis wird, als musikalisch-melancholische metapher für die ganze stadt, mit all ihren legenden und all ihren dramen. unterstützt von michael zismans hervorragendem tango-orchester zaubert der choreograph oliver dähler jetzt einen hauch von buenos aires auf die bühne des churer theaters (ja, chur!), mit einfachsten mitteln: ein paar flackernde schwarz-weiss-projektionen von nächtlichen strassenzügen, fahlblaues laternenlicht, halbseidene milonga-eleganz. ins zentrum rückt er 14 menschen, ältere tänzerinnen und tänzer, allesamt laien – sie sind die bäume der stadt, die kamine, die grabdenkmäler. in ihren bewegungen und in den falten ihrer gesichter sind geschichten festgeschrieben, geschichten von hoffnungen und ängsten; diese geschichten aus chur vermischen sich mit den geschichten aus buenos aires. zwei sänger, zwei tango-profis und ein leider oft von der musik zugedeckter sprecher setzen zwischendurch eigene akzente zu diesem community dance, vokale und literarische reflexionen über die vergänglichkeit. so entsteht um maría ein mächtig mäandrierender tango-reigen. eine hymne an eine stadt. hymne und psychoanalyse gleichermassen.   

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