ngô
thi ha ist eine alte frau aus vietnam. sie überlebte den tod ihres mannes, der
1961 während der amerikanischen intervention umgebracht wurde; sie überlebte den
tod ihres sohnes, der 1950 einem schlangenbiss erlag; sie überlebte den tod
ihres enkels, der 1975 in den wirren nach dem fall von saigon umkam. als ngô
thi ha vor ein paar monaten starb, erschien in der „los angeles times“ auf der
seite mit den todesanzeigen eine kurze notiz, die an dieses leben erinnerte,
geschrieben von ihrem grosskind, dem künstler danh võ (*1975), der in
kopenhagen studiert hat und in basel lebt. in ein paar wenigen zeilen blitzt
ein bewegtes leben auf. die seite mit dieser unscheinbaren notiz liegt jetzt
auf einem unscheinbaren holztisch im kunsthaus bregenz, wo danh võ für seine
grosse ausstellung alle drei obergeschosse zur verfügung stehen. nur ein paar
wenige objekte stellt oder hängt der künstler in diese riesigen räume: da eine
postkarte, die das martyrium eines französischen missionars im vietnam des
19.jahrhunderts zeigt, dort ein bild von soldaten in uniform, die sich zärtlich
die hand reichen. dazwischen nichts, meterweise sichtbeton, radikale reduktion
statt reizüberflutung. durch diese geradezu mystische leere zwingt danh võ den
besucher zum genauen hinschauen, zur andacht. er nimmt ihn mit auf eine reise –
auf seine reise von ost nach west, die ihm immer wieder neue antworten
abverlangt zu fragen des kolonialismus, der migration, der identität.
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