Sonntag, 10. April 2011

LUZERN: MARIAMARIAMARIAMARIIIIIIIA

tony steckt maria den verschluss einer cola-dose als ehering an den finger. not macht erfinderisch. das ist einer dieser wunderbar intimen, poetischen momente in der neuen inszenierung der „west side story“ am luzerner theater. immer wieder geht regisseurin tatjana gürbaca ganz nah ran an die figuren, zeigt hoffnungsvolle und trostlose individuen in diesem grossstadt-dschungel, zeigt die einzelnen gesichter in der masse der gangs. doch im zentrum steht der hass und der erbitterte kampf zwischen den jets und den sharks (shakespeare-leserinnen erinnern sich: romeo und julia), der nichts anderes ist als die permanente angst, keinen platz zu finden im leben. eine verdammt ernste sache also, die immer noch und immer wieder seltsam kontrastiert mit leonard bernsteins ohrwurm-orgie („mariamariamariamariiiiia…“), die von rick stengards bei der premiere zudem ziemlich zähflüssig dirigiert wurde. und trotzdem gelingt dem kleinen haus die ganz grosse kiste: die „west side story“ wird hier nämlich zu einem phänomenalen tanztheater-abend. alle sind zweieinhalb stunden lang auf der bühne – sängerinnen, schauspieler, die ganze tanztruppe – und alle geben zweieinhalb stunden lang alles. der kanadische choreograph kinsun chan versteht es, unterschwelliges sichtbar zu machen, feindbilder zu visualisieren, konflikte mit immer neuer dynamik aufzuladen. alles ist bewegung, emotional und fesselnd: das theater wird zum kraftwerk. der choreograph, der beim schlussapplaus kaum beachtung findet, ist der wahre star des abends. 

1 Kommentar:

  1. Da hat man sich gerade daran gewöhnt,dass TV gucken mit Video-on-demand und Download-to-own programmunabhängig jederzeit funktioniert, und Gemeinschaftserlebnisse nur noch im Kino (alle gucken) oder beim frühsommerlichen Parallelgrillieren (alle stinken) funktioniert,
    und da machst Du Christoph wieder so gluschtig auf Gemeinschaftserlebnisse zu fixer Stunde in dunklen Räumen, wo alle mitfiebern (Sursee) oder mittanzen (Luzern), und die vom Ownen und Downloaden und Demanden ermattete Seele ruft: Jaaaa, DAS ist es, was ich will. Nimm mich dahin mit.
    Gib uns jeweils trotz weiterzappender Leserschaft einen Link, damit wir hinfinden. Hierher zurück kommen wir eh immer wieder (erleichtert durch den RSS-Feed, den zu abonnieren sich lohnt).

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