Freitag, 5. Dezember 2025

ZÜRICH: IL GATTOPARDO

mamma mia! che bello! einen kompletten sizilianischen palazzo hat bühnenbildnerin michela flück in die zürcher schiffbauhalle gebaut, mit einer saalflucht, einem hausaltar, kronleuchtern, ölgemälden, opulentesten gedecken: vergangene grandezza im cinemascope-format. doch die wände bröckeln und, 1860, der adel bröckelt auch. für ihre erste inszenierung am schauspielhaus hat sich co-intendantin pınar karabulut „il gattopardo“ (der leopard) ausgesucht, den jahrhundertroman von giuseppe tomasi di lampedusa. die geschichte der fürstenfamilie salina, den machtverlust in zeiten politischer erdbeben, den aufstieg des bürgertums und die legendäre liebe zwischen angelica aus bürgerlichem und tancredi aus adligem hause erzählt karabulut mit dem neuen ensemble zunächst hyperrealistisch. wann gab´s denn das zuletzt, denkt man da, dass ein klassiker einfach ganz klassisch aufgeführt wird. doch dann kippt die inszenierung ins unentschiedene: mal macht die regie auf grosse oper, mal spastisches bewegungstheater, mal comedy auf tiefem canale-5-niveau, hysterische anfälle werden peinlich überzeichnet, pater saverio wuselt wie der tatort-boerne durch die morbide szenerie – und man fragt sich, ob hier gar kein klassiker gespielt wird, sondern die parodie auf einen klassiker. gran spettacolo also und wer italien liebt, wird sich durchaus heimisch fühlen. der wirklich grosse moment folgt gegen ende der dreieinhalb stunden und er entschädigt für alle ungereimtheiten. der fürst von salina ist jetzt alt und allein in den riesigen räumen, markus scheumann atmet schwer, stützt sich auf, setzt sich zwischendurch und erzählt in der dritten person seinen abgang, das ganze kapitel „der tod des fürsten“ aus dem roman, dargeboten als monolog: die bilanz eines mannes, um den herum sich die welt veränderte, der umwälzungen teils ahnte, immer reflektierte und oft auch verstand und davon jetzt müde und geschwächt ist. ein grandioser monolog, 38 minuten lang, man sieht und hört und ist gebannt von diesem schauspieler, der aus einer rolle einen charakter macht, einen grossen charakter, einen zeitlosen charakter, eine sternstunde des theaters.

1 Kommentar:

  1. Danke, Christoph! Und Tickets gibts leider nur noch ein paar und wohl schlechte dazu... Martin Bruderer, Evilard

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