heidi. aber anders. yara bou nassar, melina pyschny, chady abu-nijmeh und challenge gumbodete versichern im theater neumarkt zu beginn glaubhaft, wieso sie die absolut falsche besetzung wären für „heidi, the one and only“ und das herzige mädchen aus den bergen also auf gar keinen fall spielen können oder wollen. alle vier sind während den folgenden 80 minuten dann doch irgendwann mal heidi, mehr oder weniger. mit riesigen tannenzweigen fächeln sie alpenluft auf die bühne, wo die berge wenigstens auf ferdinand hodlers „thunersee mit stockhornkette“ vertreten sind – und dann wird der heidi-mythos zerlegt, nicht mit beil und mistgabel, sondern subtil und witzig und mehrsprachig. das arme mädchen, von johanna spyri 1880 in die welt gesetzt, musste ja vieles erdulden, im roman und danach, es diente alten und jungen als projektionsfläche, wurde instrumentalisiert für politische zwecke, für produkt-marketing, für tourismus. lena reissner, die für text und regie verantwortlich zeichnet, veranstaltet mit dem ensemble nun quasi aufräumarbeiten wie nach einem bergsturz, zwischen all den klischees und dem kitsch dringen die vier zum kern vor: der sehnsucht nach einer vergangenheit, die es so nie gab, der sehnsucht nach einer heilen welt. die inszenierung pendelt virtuos zwischen ethnologie und schräger show: die verzückung urbaner menschen für ziegenmilch und alpkäse wird hier zur erotisch aufgeladenen orgie gesteigert, „je t’aime… moi non plus…“ mit milchkesseli und auf bauernstabellen, da wird cottagecore auf die spitze getrieben. am ende ziehen sich die vier als kleine herde auf die grüne wiese im bühnenhintergrund zurück, fressen gras, und ihr wildes ziegengemecker und das blöken der schafe wird fürs publikum freundlicherweise untertitelt: „heimat ist ein albtraum.“ „heimat ist ein echo.“ „ist heidi wirklich tot?“
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