Donnerstag, 10. April 2025

BASEL: VON SCHWINDENDEN GLETSCHERN

fels statt eis. immer wieder stiegen der foto- und videokünstler vinzenz wyser und der sounddesigner simon meyer gemeinsam zum kanderfirn hoch. und immer häufiger realisierten sie: fels statt eis. der gletscher im hinteren gasterntal schmilzt und schmilzt und schmilzt. mit ihrer imposanten rauminstallation „atrophia – von schwindenden gletschern“ zeigen wyser/meyer derzeit in der galerie durchgang in basel, wie der klimawandel - unweit von uns und trotzdem oft unbemerkt - in erschreckendem tempo spuren hinterlässt, spuren und wunden. im erdgeschoss ziehen grossformatige bilder von felsformationen den blick auf sich, faszinierend durch ihre farbige ornamentik, verstörend durch ihre nacktheit. im untergeschoss dominiert ein wandfüllendes video, das stoisch die rückbildung des kanderfirns dokumentiert, daneben eine reihe von miniaturen, die schlicht „eis“ oder „fels“ heissen. und sie heissen immer häufiger „fels“ als „eis“. atrophie steht in der medizin für verkümmerndes gewebe, den begriff nehmen die beiden künstler auf, um das verkümmern ganzer landschaften zu thematisieren, das wegschmelzen der gletscher, das auftauen des permafrosts. die tonspur zur ausstellung verdeutlicht eindrücklich, wie das tropfen eines gletschers an einem heissen sommertag zu einem sturzbach anschwellen kann. bei aller inhaltlichen dramatik hat diese rauminstallation durchaus auch etwas poetisches - und lädt gerade dadurch zum innehalten ein, zum nach- und weiterdenken. man verlässt die galerie mit dem unangenehmen gedanken, dass es gletscher in absehbarer zeit nur noch als dekorative bilder über unseren sofas geben wird und als hübsche fototapeten. leute, die lage ist ernst.

1 Kommentar:

  1. Sandra Leis10.04.25, 20:18

    Vielen Dank für diese punktgenaue Besprechung.

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