Montag, 26. August 2024

LUZERN: IDOMENEO

kriege, naturkatastrophen und ein alter könig, der unter druck jüngeren weichen muss (der biden-moment!) – alles drin in mozarts „idomeneo“. temperamentvoll, präzis, geradezu elektrisierend dirigiert jonathan bloxham das luzerner sinfonieorchester durch die stürme auf dem meer zwischen troja und kreta und die stürme in den herzen der menschen, die mozarts musik so plastisch zeichnet. auf der bühne ein erstklassiges solistinnenensemble, allen voran tania lorenzo castro als kriegsgefangene prinzessin ilia, völlig aufgewühlt zwischen der sehnsucht nach ihrer heimat und ihrer zuneigung zum feindlichen herrscher, und eyrún unnarsdóttir als vor rache rasende, beilschwingende elektra. ein musikalisches feuerwerk. der kampf dieser menschen um gerechtigkeit hat regisseurin anika rutkofsky an den ballhausschwur zu beginn der französischen revolution erinnert, weshalb sie die alten griechen kurzerhand in einen ballsaal in versailles um 1789 beamt. diese szenische umsetzung ist ein, gelinde gesagt, ärgerlicher rückgriff in eine längst überholte opernästhetik: die kulissenschreiner und -maler durften wieder einmal ein pseudorealistisches sperrholz-bühnenbild wie anno dunnemals basteln, dazu gibt´s eine hoffnungslos überfrachtete kostümorgie, wohl aus dem geplünderten fundus, das volk sieht man in den zahlreichen chorszenen wahlweise händeringend oder debil torkelnd (wie „les misérables“, nur schlechter) und idomeneo trägt zur krone auch mal eine signalrote trump-krawatte und mal einen selenski-overall, huch, wie originell. mozarts utopie von einer besseren welt wird von der flut der ideen und bilder zugedröhnt, die zeiten geraten zunehmend durcheinander, die einen blicken im rokoko-kostüm nach vorn, die anderen blicken im nerd-t-shirt zurück – und wir blicken angesichts dieser nicht mehr ganz taufrischen ideen immer mal wieder auf die uhr. man kann nur hoffen, dass der operndirektion auf dem weg zu einem neuen luzerner theater keine weitere derartige entgleisung passiert wie diese peinlich altbackene inszenierung. innovation geht anders.

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