Donnerstag, 1. Dezember 2022

MÜNCHEN: JR CHRONICLES

er tritt immer mit hut und sonnenbrille auf. deshalb kennt man das gesicht des französischen fotografen und streetart-künstlers jr (*1983) kaum und seinen blick gar nicht. für ihn zählen die mienen und die blicke der anderen. er fotografiert und lässt fotografieren, hartnäckig, unermüdlich. seit 2011 wurden 445‘000 seiner porträtposter in 138 ländern an wände geklebt. den menschen und ihren anliegen ein gesicht geben, das ist seine mission. an der grenze zwischen israel und palästina fotografierte jr menschen aus den verfeindeten gebieten, die den selben beruf ausüben, und klebte die grossformatigen paare auf beide seiten der mauer. sie lachen, sie schneiden grimassen, sie zwinkern. was ausser der grenze unterscheidet sie? an der grenze mexiko/usa montierte jr ein überdimensioniertes kind auf den martialischen zaun, das neugierig auf die andere seite blickt. unter dem titel „jr chronicles“ zeigt die kunsthalle münchen jetzt eine grosse retrospektive: riesige menschenpanoramen, fotoserien, videos, so umfassend wie beeindruckend. ein junger mann, der mit 15 in paris zu sprayen und mit 17 zu fotografieren begann, schaut immer wieder genau hin, überall in der welt, bleibt dran und ermuntert die menschen, auch dran zu bleiben, barrieren, ängste, vorurteile zu überwinden und den austausch mit den anderen zu suchen. jr will die welt verändern – und er ist zuversichtlich, dass er einen weg gefunden hat: „mir wurde klar, welche kraft kunst entfalten kann – besonders an den finstersten orten.“   

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