Freitag, 16. Dezember 2022

LUZERN: DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY

dorian! dorian!! dorian!!! dorian hier, dorian da, alle rufen ihn, alle verzehren sich nach ihm. oscar wildes kunstfigur dorian gray, der die ewige jugend sucht und nur sein bild altern lässt, ist in der inszenierung am luzerner theater kein makellos junger und schöner dandy, sondern der zeit geschuldet ein genderfluides wesen: carina thurner mit platinblondem bubikopf, in einem luftigen bodenlangen gelben kleid und ohne weitere eigenschaften, ist die perfekte projektionsfläche für (ältere) männlein und (jüngere) weiblein. sie alle bewundern diesen dorian und schon nach zehn minuten bespringen sie ihn, verschlingen und verknoten sich und verfallen ihm in einer absurden choreographie. regisseurin katrin plötner erfindet im voll verspiegelten bühnenraum (bettina pommer) und dank witzig-schrägen kostümen (johanna hlawica) immer wieder effektvolle bilder für die dekadenten vergnügungen, für die leeren träume und die schweren traumata dieser hedonistischen gesellschaft. doch wie immer, wenn ein 300-seiten-roman in eineinhalb stunden auf die bühne gewuchtet wird, muss dann alles sehr schnell gehen: figuren werden zu karikaturen und die entwicklung dorians vom wunderwesen, das alle verzaubert, zum egozentrischen, bösen kerl, den das falsche leben im richtigen paranoid werden lässt, bleibt kaum nachvollziehbar. ruckzuck und dieser dorian ist ein anderer, ein eiskalter engel in einem schauerroman. ziemlich spektakulär, das ganze, und - trotz einwänden - gerade in diesen zeiten des instagram-voyeurismus eine hübsche etude über selbstverliebtheit und selbstinszenierung.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen