Montag, 7. November 2022

LUZERN: EUGEN ONEGIN

bettina oberli kennt man als filmregisseurin („die herbstzeitlosen“, „tannöd“, „wanda, mein wunder“), oper war bis jetzt nicht so ihr ding. ihr debut mit tschaikowskis liebesdrama „eugen onegin“ am luzerner theater darf als durchaus gelungen bezeichnet werden. in allen drei akten steht eine figur im zentrum, drei mal gelingt oberli eine eindrückliche, die musik sehr ernst nehmende psychostudie: im ersten akt verzehrt sich tatjana (eyrún unnarsdóttir mit dramatischem sopran) in ihrer von onegin unerwiderten liebe und schreibt den berühmten brief aufs höchste erregt mit kreide an die wände ihrer kammer. im zweiten akt zeigt ziad nehme mit betörendem tenor einen zutiefst verzweifelten, vor eifersucht kranken lenski, der vor dem duell mit onegin von todessehnsucht erfüllt ist. und der schlussakt wird dominiert von onegins grossem monolog über verpasste chancen, unerfüllte träume, ein nicht gelebtes leben; mit warmem bariton findet der junge jiří rajniš zur finalen melancholie. drei wirklich grosse szenen. warum kapellmeister jesse wong der kitschgefahr des tschaikowski-sounds vor allem mit lautstärke begegnet, warum kostümbildnerin laura locher einige figuren in pippi-langstrumpf- und bajazzo-kostüme steckt und warum onegin zum duell eine art biene maja als sekundanten mitbringt – das bleiben die irritierenden geheimnisse dieses abends. und vielleicht war ja alles auch ganz anders. vielleicht haben sich die beiden männer geliebt, was mit bezug auf tschaikowskis biografie nachvollziehbar wäre. diese möglichkeit wird hier nur kurz ins spiel gebracht, in einem entscheidenden augenblick allerdings: durch einen angedeuteten, dann abgebrochenen kuss zwischen lenski und onegin unmittelbar vor ihrem tödlichen duell. noch so ein intensiver moment.

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