Mittwoch, 6. November 2019

ZÜRICH: GEBROCHENES LICHT

silvesterparty in damaskus. ein mädchen und ein junge wetten, wann die nächste bombe einschlagen wird. wenn er richtig tippt, will er sie küssen dürfen. die bombe schlägt ein. und dann noch eine. der alltag in einer kriegsversehrten welt beschäftigt die in zürich lebende syrische autorin lubna abou kheir, die arabisch denkt und deutsch schreibt. es sind episoden wie der silvesterkuss, die sie in ihrem stück „gebrochenes licht“, das jetzt am theater neumarkt in zürich uraufgeführt wurde, aneinanderreiht. geschichten einer jungen frau aus dem nahen osten, die in zürich gelandet ist, ihrer mutter, die über istanbul nicht hinauskommt, geschichten eines taxifahrers aus damakus, der mehr sein will als schlepper, und eines unfreiwilligen rekruten, der in der syrischen wüste verzweifelt eine telefonverbindung sucht. regisseurin ivna žic (als autorin von „die nachkommende“ jetzt für den schweizer buchpreis nominiert) verteilt die vier figuren im langen neumarkt-saal, verloren zwischen grossen steinen und einem leeren boot. wie der text spielt auch diese einfache bühne mit unseren assoziationen. hier sprechen menschen miteinander, die in verschiedenen ländern leben, auf verschiedenen kontinenten, übers vergessen-wollen, über hoffnung, über echte und luxuriöse probleme in einem land, wo niemand auf jemanden wartet. oft ist es mehr deklamation als dialog. so künstlich diese situation ist, alle in einem raum, so eindringlich führt sie das vakuum vor augen, das die kommunikation im globalen dorf hinterlassen kann. matija schellander hat dazu einen vibrierenden sound komponiert, der das im titel angetönte thema ebenfalls aufnimmt: das zersplittern des lichts in verschiedene farben. sind es orientalische tänze? sind es kriegsgeräusche? traumsequenzen? es ist, wie der ganze abend, ein kraftvoller regenbogen zwischen leben und tod.


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