Sonntag, 17. November 2019

MÜNCHEN: TOSCA

alles schwarz, die wände, die groben balken auf der bühne, die luxuriösen messgewänder beim te deum, die uniformen der spitzel, der tisch im palazzo, alles schwarz. in diesem nachtschattenreich siedelt stefano poda, der regisseur, bühnenbildner und lichtdesigner in einem ist, im staatstheater am gärtnerplatz den brutalsten krimi der operngeschichte an, die „tosca“ von giacomo puccini. weiss sind einzig die lilien, die tosca im ersten akt in die kirche trägt, und weiss ist der kleine hirtenjunge, der im dritten akt am tiber-ufer eine traurige weise anstimmt: nur sehr wenig ist hier übrig von der unschuld der welt. wie geister bewegen sich die figuren durch die von gegenlicht und zwielicht geworfenen schatten, gesteuert und choreografiert durch die sadistischen gelüste des macht- und sexbesessenen polizeichefs scarpia, der die sängerin tosca vergewaltigen will und ihre grosse liebe, den maler cavaradossi, aus politischen gründen hinrichten lässt. der bariton noel bouley lässt das niederträchtige und demütigende dieses scarpia mit jedem ton und jeder geste wie gift in diese schwarze welt tropfen. oksana sekerina als tosca verzehrt sich vor leidenschaft und eifersucht, singt manchmal liegend, krümmt sich vor schmerz, triumphiert bei ihrem tödlichen messerstich für scarpia, ein grandioses rollenporträt von höchster dramatik und tiefster verzweiflung, beklemmende bilder. artem golubev als cavaradossi schliesslich zeichnet ein differenziertes bild eines zu unrecht gequälten und gefolterten, auch stimmlich brillant, obwohl sein heller tenor im orchester-fortissimo gelegentlich unterzugehen droht. chefdirigent anthony bramall arbeitet die rasanten stimmungswechsel mit maximaler hingabe und schärfe heraus und macht bewusst, wie sehr „tosca“ der definitive abschied vom belcanto und die mutter aller krimi-soundtracks ist. mit diesem schattenstück spielt sich das gärtnerplatztheater aus dem schatten der bayerischen staatsoper.

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