Sonntag, 20. Oktober 2019

WIEN: DIE FRAU OHNE SCHATTEN

zwei paare (eine kaiserin und ein kaiser, eine färberin und ein färber), viele krisen, viele prüfungen, auch über kreuz – hugo von hofmannsthal und richard strauss haben mit ihrer oper „die frau ohne schatten“ ein höchst komplexes märchen geschaffen. gazellen und geisterwesen kommen da vor und ungeborene kinder singen klagend aus der bratpfanne, jawohl. mit all ihren träumen und blockaden, neurosen und projektionen und krisen der fruchtbarkeit aufgrund von vor- und innerehelichen gewalterfahrungen ist diese oper gerade in der stadt von dr. sigmund freud natürlich ein steilpass für einen regisseur. doch vincent huguet beweist mit seiner inszenierung an der wiener staatsoper wenig sinn für symptome und symbole, er arrangiert zwischen zerklüfteten felsen konventionelle szenen, lässt die stars in wallenden gewändern mit armen rudern und mit händen flehen, willkommen im opernmuseum! „immerhin stört die inszenierung die musik nicht“, meint der sitznachbar meines vertrauens. kann man so sehen. tatsächlich ist die musik das ereignis des abends, ein ereignis auf weltklasse-niveau. in viereinhalb stunden zeigt christian thielemann mit dem orchester der staatsoper in einem phänomenalen spannungsbogen, der nie abfällt, den grandiosen reichtum von richard strauss‘ klangkosmos, das entrückte, das geheimnisvolle, das albtraumhafte, das brutale dieser gefühlswelt. im orchestergraben nimmt das unterbewusstsein all dieser figuren gestalt an, das zum edlen ende führt, wonach sich glück nicht um den preis des unglücks anderer erkaufen lässt. mit camilla nylund und andreas schager als kaiserpaar, nina stemme und tomasz konieczny als färberpaar sind die hauptrollen besetzt, wie man es sich besser nicht wünschen kann: stimmen, die in allen farben funkeln, stimmen von durchschlagender dramatischer kraft.

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