Samstag, 1. Juni 2019

MÜNCHEN: BEGEHREN

landstrasse, nacht und nebel. „sie“ (hanna scheibe) ist unterwegs vom wochenendhaus zum supermarkt, da taucht im scheinwerferkegel ihres autos plötzlich ein mann auf (philip dechamps). das gleiche ist ihr an der gleichen stelle schon zweimal passiert. er habe eine panne, sagt er, und nein, er sei noch nie hier gewesen, er lebe weit weg. noch nie hier? dabei hat „sie“ ihn doch…? er redet in rätseln, alles sehr eigenartig, geheimnisvoll, latent bedrohlich. was will er von ihr? oder will etwa „sie“? verstört fährt „sie“ zurück zu ihrem gatten (arthur klemt), der reagiert wie viele gatten nach 15 jahren ehe, erst desinteressiert, dann hilflos. der katalane josep maria benet i jornet hat mit „begehren“ einen stark vom film noir inspirierten text geschrieben. und mirjam loibl inszeniert diesen text im marstall des münchner residenztheaters mit viel sinn für alle kleinen und grossen effekte. immer wieder diese lichtkegel, immer wieder diese anonymen, stummen anrufe im wochenendhaus, immer wieder diese beiläufig hingesagten und doch irgendwie hinterhältigen sätze: „so schlimm ist es doch nicht, vierzig zu werden.“ oder: „ich bin ein mann wie jeder, man kann mich leicht verwechseln.“ benet i jornet ist ein erfolgreicher telenovela-texter, die dialoge kriegt er mit leichter hand hin. doch er kann und will mehr: er spielt mit der wahrnehmung seiner figuren und mit der wahrnehmung des publikums. eine frau (barbara romaner) taucht auch noch auf in einem kiosk an der landstrasse, der mann scheint sie zu kennen, sie erzählt von ihrem leben, ihrer grossen liebe, sie will „sie“ anfassen. die beiden begegnen sich am schluss noch einmal, im nebel reicht sie ihr die hand. dann ist die frau weg und „sie“ hat massiv blut an den fingern. ein taumel zwischen begehren und abscheu. ein traum nur?

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