„schade, dass selten so schön
gesungen wird in der oper“, schrieb „der spiegel“ einmal über die
mezzosopranistin maria riccarda wesseling. sie ist international tätig, an den
grossen häusern, und jetzt für ein wunschprojekt zu ihren wurzeln
zurückgekehrt, nach graubünden, ans theater chur. der westschweizer komponist
frank martin vertonte mitten im zweiten weltkrieg rainer maria rilkes erzählung
„die weise von liebe und tod des cornets christoph rilke“, jenes buch also, das
in den kriegen tausende von jungen soldaten im tornister trugen, weil es den
nerv traf, ihren nerv, ihre verzweifelte situation zwischen der ersten grossen
liebe und dem dienst fürs vaterland, der nur zu oft tödlich endete. martin
schrieb diese musik für eine tiefe frauenstimme und kammerorchester, eine expressive
und suggestive musik, die die geschichte des jungen fahnenträgers aus der sicht
der zurückgebliebenen frauen erzählt, der mutter, der geliebten, vielleicht der
huren. um diese multi-perspektive zu unterstreichen, gibt regisseur nigel
lowery der sängerin die schauspielerin ursina hartmann zur seite. in einer
absolut nicht zwingenden burgzimmer-szenerie lässt er die beiden in wallenden
weissen kleidern geisterhaft um tisch, falltüre und kerzenständer herumschleichen
wie in einer uralten lucia-di-lammermoor-inszenierung. zu zweit arbeiten sie
sich szenisch ab an den erinnerungen. doch das ereignis ist maria riccarda wesseling,
ist diese stimme: 75 minuten lang singt sie, alle facetten dieser komplexen
musik trifft sie, von der kammerphilharmonie graubünden unter philippe bach
subtil begleitet, sie glüht, sie leidet, sie verzweifelt, sie nimmt uns mit auf
eine reise durch seelenlandschaften. diese frau singt, in der tat, seltenschön.
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