Freitag, 25. Januar 2019

MÜNCHEN: DOKTOR ALICI

doktor alıcı ist türkischstämmig, muslimisch, lesbisch und münchner polizeipräsidentin. 2023, die zeit der alten, weissen, heterosexuellen männer ist also endlich vorbei. irrtum, doktor alıcı ist umgeben von ihnen. staatsschützer, parteivorsitzende, anwälte – sie alle zeigen immer wieder mit fingern auf sie. die junge autorin olga bach liess sich von arthur schnitzlers „professor bernhardi“, dort ein jüdischer arzt, zu einem stück über heuchelei, opportunismus und politische intrigen inspirieren. der polizeipräsidentin wird zum verhängnis, dass sie fünf mitglieder der partei „proaktiv fürs abendland“ kurz vor wahlen in gewahrsam nehmen lässt, weil es anzeichen für von ihnen geplante anschläge gibt. jetzt wurde „doktor alıcı“ an den münchner kammerspielen uraufgeführt. hürdem riethmüller, selber türkische seconda, spielt sie elegant und selbstbewusst, eine frau mit rückgrat, mit haltung. wenn der leiter der abteilung öffentliche sicherheit im bayerischen innenministerium (samouil stoyanov, ganz schön schmierig) immer wieder seinen zeigefinger auf sie richtet, belehrend, bedrohlich und autoritär, dann streckt sie ihm ihren zeigefinger ganz michelangelo-mässig entgegen, weist den seinen zurück, indem sie ihn sanft nach unten knickt, 1:0. das sind die subtilsten momente in ersan mondtags inszenierung. weil die dialoge an der oberfläche bleiben und kaum mehr bieten als die handelsüblichen schlagworte von links und rechts, flüchtet sich die regie in groteske überzeichnungen, es gibt karikaturen und krähen zuhauf. die den worten fehlende spannung versucht mondtag auf seiner neon-bunten bühne mit blitz, donner und viel theaterregen zu kompensieren. so wird dem unterschwelligen die schärfe genommen und das relevante thema letztlich verschenkt.

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