Mittwoch, 10. Oktober 2018

ZÜRICH: EINE VERSION DER GESCHICHTE

ist das nicht die stimme von babik auf diesem tonband? unser grossvater? die uralte aufnahme in armenisch weckt erinnerungen und wirft fragen auf. für ihr preisgekröntes stück „eine version der geschichte“ (2018) nahm simone kucher das grosse schweigen um den genozid an den armeniern (1915) als ausgangspunkt. eine berliner violinistin mit armenischen wurzeln, ihr bruder, ihre mutter, ein dirigent mit türkischen wurzeln und ein alter mann sind auf spurensuche. marco milling setzt und stellt sie in seiner inszenierung in der kammer des zürcher schauspielhauses in eine art tonstudio, eingepfercht wie in einem wartezimmer, ausgestellt wie in einem schaufenster, ausweichen unmöglich. spotartig folgen sich kurze begegnungen, kurze sequenzen über das erinnern. wie hat die geschichte unserer familie mit der geschichte unseres volkes zu tun? die autorin interessiert sich für das kleine im grossen, das private im politischen. die einen möchten viel wissen und immer noch mehr, die anderen möchten vergessen. die einen sind überzeugt, dass logik hilfreich ist bei der kombination von erinnerungsfetzen, andere stört sie nur. tut erinnerung weh oder tut sie gut oder beides? warum erinnern wir uns an vieles erst nach jahren? weil wir früher nicht konnten oder weil wir nicht wollten? fünf personen auf der suche nach – sich selbst. ein ernstes konversationsstück und gleichzeitig ein sehr poetisches puzzle. "nach und nach wird das unfassbare fassbar, das abstrakte konkret." vielleicht und vielleicht auch nicht. was sind geschichten und was ist wahrheit? der armenische grossvater begann seine erzählungen immer so: es war oder es war nicht.

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