Samstag, 6. Oktober 2018
PARIS: TRISTAN UND ISOLDE
operninszenierungen
mit videoeinspielungen gibt’s zuhauf, die bildspur ist meist nicht zwingendes
zugemüse. die pariser oper ging für einmal den umgekehrten weg: der grosse videokünstler bill viola schuf zu wagners „tristan und isolde“ eine
vierstündige bildmeditation, der sich die inszenierung von peter sellars
vornehm unterordnet. für einmal steht das video prominent im zentrum: auf der
bühne der bastille nichts als eine riesige leinwand, in den ersten beiden akten
im querformat, im dritten akt hoch, darauf flammen und fluten und farbenspiele,
rituelle waschungen, liebkosungen, spaziergänge ins blendende licht, apotheose.
wagners liebesrausch-, nacht- und todesmelodien werden nicht kommentiert,
sondern im rhythmus der musik visuell verstärkt, das transzendente
unterstreichend, bilder nicht von dieser welt. oper, ganz im sinne des
komponisten also, als rauschhaftes gesamtkunstwerk. die sängerinnen und sänger
bewegen sich zwischen leinwand und rampe, vom regisseur geradezu minimalistisch
choreografiert und von philippe jordan mit grossem atem dirigiert. während der
sopran von martina serafins isolde von akt zu akt kantiger und schriller wird,
steigert sich andreas schager als tristan grandios: ein strahlender tenor,
dessen dynamische kraft nie nachlässt und sich, als das schiff mit der
geliebten endlich bei dem schwer verwundeten eintrifft, zur finalen ekstase erhebt
(„welches sehnen! welches bangen! sie zu sehen, welch verlangen!“); lust und schmerz
und todesahnung sind in dieser stimme vereint, ein überwältigender auftritt. so wie
tristan und isolde im liebestod versinken, taucht der zuschauer ein in bilder,
töne, teils bedrückende, teils verführerische assoziationen.
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