Donnerstag, 4. Oktober 2018
PARIS: BÉRÉNICE, EIN ALBTRAUM
„nous
séparer?“ bérénice kann es nicht fassen. sie liebt titus und titus liebt sie.
und doch macht er schluss, weil ihm die macht wichtiger ist als die frau: ein
römischer kaiser und eine syrische königin sind ein no-go. bérénice verliert den
boden unter den füssen, windet sich auf einem stuhl, spielt mit einem brautschleier,
den sie nie tragen wird. barbara hannigan zeigt im palais garnier alle facetten
dieser frau – verzweiflung, zorn, einsamkeit – indem sie gesanglich und darstellerisch
bis zum äussersten geht, phänomenal. im auftrag der opéra national de paris hat
der genfer komponist michael jarrell (*1958) aus jean racines handlungsarmer
tragödie „bérénice“ eine oper geschaffen – oder sich vielmehr zu einer oper
gezwungen, denn im programmheft erläutert er ausführlich, wie schwer er sich
mit den figuren tat und wie wenig er von gesungenem französisch hält. fürs
orchester gelingen ihm zwar immer wieder suggestive sequenzen, dunkle
klangwelten, doch mit den stimmen bleibt er nahe am sprechgesang, virtuose
gesangslinien sind seine sache definitiv nicht. dem dirigenten philippe jordan
und vor allem dem regisseur claus guth ist es zu verdanken, dass die eineinhalb
stunden trotzdem ein erfolg werden: sie verdichten die künstliche sprache
(alexandriner), den monotonen gesang und rätselhafte bilder zu einem fortwährenden
albtraum. neben hannigan irren bo skovhus (auch er ein theatertier) als titus und
ivan ludlow als sein freund und nebenbuhler antiochus durch drei nebeneinander
liegende hohe klassizistische räume, die mehr und mehr zum gefängnis ihrer
gefühle werden. drei räume, drei menschen, die trennung als albtraum. von diesem
abend bleiben die bilder haften, nicht die musik.
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