die
„wartesaal“-trilogie von lion feuchtwanger ist ein ebenso gigantisches wie
differenziertes panorama von bayern, deutschland, europa vor dem ausbruch des
zweiten weltkriegs. drei romane, „erfolg“, „die geschwister oppermann“, „exil“,
hunderte von haupt- und nebenfiguren, zweieinhalbtausend seiten. stefan pucher wollte nun (grösser, weiter, pucher) an den münchner kammerspielen die ganze
trilogie in einem aufwisch stemmen – und intendant matthias lilienthal scheint
dieses ansinnen auch noch unterstützt zu haben. warum nicht gleich „die bibel“
an einem einzigen abend? nun, man kam dann doch davon ab und die inszenierung
unter dem titel „wartesaal“ beschränkt sich jetzt auf „exil“, das komplizierte
leben und zusammenleben deutscher juden und deutscher intellektueller um 1935
in paris. in buchform sind das immer noch 850 seiten; pucher muss also
zusammenfassen, zitieren lassen, spotartig herausgreifen. annette paulmann hält
das als empathische moderatorin einigermassen zusammen. und samouil stoyanov
zeichnet den musiker sepp trautwein, der das komponieren aufgibt, um sich
journalistisch am widerstand gegen die nazis zu beteiligen, als eigenwilligen
charakter, engagiert, wütend, auch rücksichtslos, immer überzeugt von der
sache, für die er an vorderster front kämpft: eine figur, die sich entwickelt,
eine figur, der man gerne zuschaut. der einzige wirklich berührende moment in
diesen dreieinhalb stunden: wenn sich trautweins frau anna (maja beckmann) bar jeder perspektiven in
der badewanne umbringt und ehemann und sohn sie finden und ganz ruhig und
reflektiert ihre gewissensbisse und schuldgefühle formulieren und austauschen.
das sind menschen. alle anderen: stichwortgeber, chargen, statisten, nummern
einer revue. dem ganzen fehlt der lange atem. es gibt romane, die sind auch für
eine grosse bühne zu gross.
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