Montag, 2. April 2018

MÜNCHEN: DIE ATTENTÄTERIN

pechfarbenes, volles haar, eine ruhige, besonnene stimme und ein schwarzes, mit leuchtend roten rosen über und über besticktes kleid – wie eine trauernde diva geht sie immer und immer wieder über die bühne, mal im halbdunkel, mal im licht, mal beobachtet sie nur, mal spricht sie ein paar sätze in farsi. sihem ist ein todesengel, eine palästinensische selbstmordattentäterin, die sich neben einer kindergeburtstagsparty in einer israelischen shopping mall in die luft gejagt hat. wenn die iranische schauspielerin mahin sadri als tote sihem jetzt so umhergeht, ist sie ein schatten ihrer selbst und mahnmal in einem. auf der bühne der münchner kammerspiele steht und dreht sich ein langer tisch, er ist operationstisch, kantinentisch, verhörtisch, familientisch. er ist das zentrum von amir reza koohestanis inszenierung der „attentäterin“ von yasmina khadra. warum sprengen sich immer häufiger auch frauen in die luft? warum sihem, die in besseren kreisen verkehrt? selbst ihr mann amin, ebenfalls palästinenser und erfolgreicher chirurg in israel, ist ahnungslos; thomas wodianka zeigt ihn als sympathischen, trotz karriere keineswegs überheblichen kerl, den die verzweiflung an die grenzen des wahnsinns treibt. der grossvater, die nichte, die schwester, der schwager, fragen, fragen, fragen, keine antworten. die einen glauben etwas zu wissen, andere leiden, weil sie nichts wissen. sihem, das grosse rätsel, sitzt manchmal stumm mit am tisch. gegen was richtet sich ihr widerstand? koohestani will mit seiner inszenierung nicht den nahost-konflikt erhellen. er will mit seinen durchaus auch poetischen bildern, dass wir den dunklen seiten nachspüren, auch unseren dunklen seiten. irgendwann knallt die finale bombe. black-out. was bleibt, ist dieses bild: eine schöne, selbstbestimmte, geheimnisvolle frau.

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