Sonntag, 15. März 2015

ST. GALLEN: LUCREZIA BORGIA

bei der party in der gestylten weissen villa hebt einer kurz den weissen teppich. darunter: blut, noch schön frisch. leichen pflastern den weg von lucrezia borgia, tochter eines papstes, blutschänderin, ehebrecherin, giftmischerin, berüchtigt, wenn auch historisch nicht einwandfrei verbürgt. in seiner inszenierung von donizettis oper am theater st. gallen verlegt tobias kratzer die handlung von der renaissance ins heute, mit viel attraktivem, geschniegeltem jungvolk, was den italo-mafia-intrigantenstadel nicht weniger nachvollziehbar macht, im gegenteil. der kontrast zwischen donizettis süffigem belcanto und den wachsenden leichenbergen nimmt schon beinahe parodistische dimensionen an, zumal pietro rizzo mit dem sinfonieorchester st. gallen gelegentlich ziemlich dick aufträgt. doch die regie nimmt die figuren durchaus ernst, allen voran jene im zentrum: katia pellegrino als lucrezia, die sich in den eigenen unehelichen sohnemann gennaro – anicio zorzi giustiniani, so heisst er und so singt er – in den sohnemann also verliebt und ihn versehentlich auch vergiftet, ist nicht einfach das rachsüchtige machtweib, sondern eine von sehnsucht, angst und verzweiflung getriebene frau. ein eindrückliches rollenporträt, auch stimmlich, mit einem von intimen momenten hin zu dramatischen ausbrüchen reich differenzierenden sopran. schlicht genial ihr auftritt als todesengel im kleinen schwarzen, wenn sie im letzten akt ihren bereits am boden röchelnden giftopfern mit stechendem blick mitteilt, dass ihre fünf särge schon bereitstehen vor der villa. wie heisst es jeweils so schön: wenn sie krimis mögen, mögen sie auch diese oper.

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