bei der party in der gestylten weissen villa hebt einer kurz den weissen
teppich. darunter: blut, noch schön frisch. leichen pflastern den weg von
lucrezia borgia, tochter eines papstes, blutschänderin, ehebrecherin,
giftmischerin, berüchtigt, wenn auch historisch nicht einwandfrei verbürgt. in
seiner inszenierung von donizettis oper am theater st. gallen verlegt tobias
kratzer die handlung von der renaissance ins heute, mit viel attraktivem,
geschniegeltem jungvolk, was den italo-mafia-intrigantenstadel nicht weniger
nachvollziehbar macht, im gegenteil. der kontrast zwischen donizettis süffigem
belcanto und den wachsenden leichenbergen nimmt schon beinahe parodistische
dimensionen an, zumal pietro rizzo mit dem sinfonieorchester st. gallen
gelegentlich ziemlich dick aufträgt. doch die regie nimmt die figuren durchaus
ernst, allen voran jene im zentrum: katia pellegrino als lucrezia, die sich in
den eigenen unehelichen sohnemann gennaro – anicio zorzi giustiniani, so heisst
er und so singt er – in den sohnemann also verliebt und ihn versehentlich
auch vergiftet, ist nicht einfach das rachsüchtige machtweib, sondern eine von
sehnsucht, angst und verzweiflung getriebene frau. ein eindrückliches rollenporträt,
auch stimmlich, mit einem von intimen momenten hin zu dramatischen ausbrüchen
reich differenzierenden sopran. schlicht genial ihr auftritt als todesengel im kleinen
schwarzen, wenn sie im letzten akt ihren bereits am boden röchelnden giftopfern
mit stechendem blick mitteilt, dass ihre fünf särge schon bereitstehen vor der
villa. wie heisst es jeweils so schön: wenn sie krimis mögen, mögen sie auch
diese oper.
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