"mein lieber schwan"? gar nix schwan. an der römer oper wird lohengrin, der herbeigeträumte grosse problemlöser, nicht von einem schwan auf die bühne gezogen, nein, dieser lohengrin, ganz in weiss, zieht selber - einen ebenso weissen kindersarg. elsa, die holde, wird zu unrecht verdächtigt, ihren kleinen bruder beseitigt zu haben, um an die macht zu gelangen. doch der ist nicht tot, sondern wurde von elsas rivalin ortrud verzaubert, genau, in einen schwan. richard wagners rittermärchen ist komplex und nicht immer stringent. regisseur damiano michieletto, der für seine klugen deutungen nördlich der alpen deutlich mehr geschätzt wird als in seiner heimat, seziert bei seinem wagner-debut höchst präzis die verstrickungen und verzweiflungen dieser figuren, stellt sie in einem abstrakten raum richtiggehend aus, ihre hoffnungen, ihre visionen, ihre albträume, ihre panik. der kindersarg sorgt immer wieder für schockmomente, selbst zum hochzeitsmarsch, auch der totgeglaubte junge erscheint plötzlich und gespenstisch und wie bomben hängen riesige schwaneneier vom himmel, mehr und mehr. diese menschen sind getriebene, von ambitionen und ängsten gequälte, das geht unter die haut. absolut packend, wie alle ihre rollen nicht nur stimmlich, sondern auch darstellerisch verinnerlichen und durchdringen. dmitry korchak in der titelrolle, hell strahlend im forte, leise leuchtend im pianissimo und mit perfekter diktion, wird dem derzeit weltbesten lohengrin, klaus florian vogt, schon bald ernsthaft konkurrenz machen. dirigent michele mariotti kostet das sphärische und das wuchtige des romantischen klangzaubers gleichermassen aus. zusammen mit den vieldeutigen bildern und symbolen verdeutlicht auch er, welch raffinierter psychologe wagner war. als der kleine sarg einmal geöffnet wird: nur lauter weisse federn. der ganze wahn funktioniert auch ganz ohne schwan.