Samstag, 20. Januar 2024

DORTMUND: LA MONTAGNE NOIRE

erotik total. nur in einen leichten schleier gehüllt und mit verführerischer, dunkel timbrierter stimme tanzt die französische mezzosopranistin aude extrémo als türkin yamina in den bergen von montenegro, im feindesland. den bäuerinnen will sie zeigen, was es heisst, eine freie, selbstbewusste frau zu sein, und mirko, dem als held aus dem kampf gegen die türken zurückgekehrten, verwirrt sie nachhaltig sämtliche sinne und moralischen koordinaten. "la montagne noire" wurde 1895 in paris uraufgeführt - und das war's. die oper wurde quasi entsorgt, denn erstens komponierte - mon dieu - eine frau dieses grosse spätromantische tableau und zweitens erlaubte sich diese augusta holmès mit ihrer yamina eine scharfe kritik an den patriarchalen rollenzuweisungen plus die dekonstruktion falscher heldenmythen, eine art carmen vor politischem hintergrund. die oper dortmund holt "la montagne noire" jetzt aus der vergessenheit. was für eine entdeckung! augusta holmès komponierte opulentesten breitleinwandsound, bevor es die breitleinwand gab, ausladende melodienbögen, eingängige motive, ein sängerfest (das motonori kobayashi leider im dauer-forte dirigiert). emily hehl inszeniert mit effektvoll stilisierter balkan-folklore und ein paar griffen in die tiefenpsychologische trickkiste. nach dem gewaltsamen tod der helden verfärben sich die verspielt aus dem bühnenhimmel rieselnden schneeflocken blutrot - und die gusla-spielerin bojana peković, die zu beginn mit inbrunst traditionelle heldenlieder darbot, zieht desillusioniert von dannen. diese oper verdient es, nicht gleich wieder in der versenkung zu verschwinden.

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