Montag, 22. Januar 2024

BOCHUM: VOODOO WALTZ

der wahnsinn lauert um uns, der wahnsinn lauert in uns: sechs tänzerinnen (w/m/d) und drei schauspieler (w/m/d) zucken hochfrequent, jucken in die höhe, sie rotieren und rasen und verkrampfen sich, dauererregung, dauerpanik. "voodoo waltz for epileptics" ist ein fiebriger text der slowenischen autorin janja rakuš über menschen im amsterdamer rotlichtviertel, einsame, traumatisierte, abhängige, verzweifelte - und alle: epileptiker. zu sehr sinnlichen, meist sphärischen kompositionen von amos ben-tal entwickelt das holländische geschwister- und choreografenpaar imre und marne van opstal im schauspielhaus bochum daraus jetzt einen atemlosen reigen aus worten und bewegungen, aus ekstase und erschöpfung. "der schmerz ist ein lehrer", heisst es einmal, der schmerz dominiert alles. der eine will sich mit bibelpsalmen und der jesus-daily-app davon befreien, ein anderer mit sexarbeit bis zur besinnungslosigkeit, wieder eine im medikamenten- und drogenrausch. jede tanzsequenz eröffnet neue dimensionen dieser neurodiversität: überreizungen und grenzüberschreitungen finden ihre form in aufregenden und nie gesehenen bewegungsmustern, die körper als ihre eigenen schatten, als erinnerungen, als sehnsüchte. von diesen bildern geht eine schwindelerregende kraft aus und - das ist ihre grosse qualität - nie hat diese sehr private, intime choreografie etwas voyeuristisches oder peinliches. man fühlt sich diesen menschen plötzlich ganz nah, denn sie explodieren an dem, was bei uns anderen vielleicht auch explodieren möchte oder sollte: verdrängtes, vergessenes, verletzendes. "voodoo waltz" zeigt das leben als geheimnis und gefängnis. betroffenheit im publikum, und dann langer jubel.

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