Sonntag, 27. August 2023

LUZERN: ORESTIE

es war ein kraftakt für alle beteiligten. und es sieht super aus. eine alte mosterei aus dietwil wurde im bauch des luzerner theaters wieder aufgebaut, der offene riegelbau füllt bühne und saal, das publikum sitzt drumrum. die 150 jahre alten balken bilden den rahmen für die 2400 jahre alte geschichte von den schwer traumatisierten königskindern elektra und orest, die ihre mutter umbringen, um deren mord am vater zu rächen. wie in jedem schuppen zwischen reiden und riemenstalden hängen da rostige pfannen, ein kleiner traktor und staubige fahnen stehen rum, ein paar räucherschinken modern noch. dieses szenografische konzept von valentin köhler soll einen unmittelbaren zugang zum alten drama erzeugen und zudem lust machen auf die flexiblen möglichkeiten im angedachten theaterneubau. damit alle mal was zu sehen bekommen, wird zwischen den balken und über treppen enorm viel rumgestiegen und mit live-video an die nicht-sehenden übertragen. bisschen viel, das alles. bisschen zu viel. die beabsichtigte unmittelbarkeit und nähe wird durch das aufwändig installierte gebäude im gebäude eher behindert als gefördert. das mindert nicht die kraft der sprache; raoul schrott holt mit seiner nachdichtung euripides ins heute, mit dramatischer wucht wird die frage nach schuld und recht verhandelt. und es mindert nicht die leistung des ensembles, das die seelischen abgründe dieser blutrünstigen sippe präzis und differenziert offenlegt. die hauptrolle in dieser inszenierung von schauspielchefin katja langenbach spielt das unterbewusstsein, es flirtet um jede ecke, radikalisiert die einen und legt bei den anderen die nerven blank, albtraumhaft geistern hier auch die toten und die abwesenden durch inzest- und terrorphantasien. der familienfluch lastet gewaltig. ob man ihn je los wird? vom emotionalen chaos zum hollywoodmässigen happy-end (absolution durch die schöne helena) geht´s dann allerdings etwas gar zügig. ein spektakel also zur saisoneröffnung, mit einigen abstrichen, aber durchaus ein spektakel.

1 Kommentar:

  1. da du ja ab und an in reiden bist, gesteht frau dir regionale kenntnisse zu! frisches und knackiges feedback.

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