Mittwoch, 9. August 2023

LOCARNO: WANHA MARKKU

als kind hatte markus toivo immer angst vor seinem vater. nicht dass der ihn körperlich misshandelt hätte, nein, er hatte angst, weil der vater ihn, das kind, nie anschaute. markus toivo ist eines von sieben kindern. als 30jähriger hat er die beziehung zum vater jetzt filmisch verarbeitet. „wanha markku“ (der alte markus) läuft im rahmen der semaine de la critique am festival in locarno. der sohn – autor, regisseur und hauptdarsteller in personalunion – schweisst mit seinem vater ein tor für die einfahrt zum haus in der finnischen pampa und nutzt diese gelegenheit, um ihn in gespräche zu verwickeln, meistens beim handwerk, ab und zu auf zwei stühlen in auffälligem abstand. sie reden und sie schweigen, biographiearbeit, autotherapie: dieser film ist keine high-end-produktion, sondern die abbildung eines intuitiven prozesses, sehr intim, sehr berührend. der vater war in toivos kindheit vor allem abwesend: er kam von der arbeit als zahnarzt erschöpft nach hause und stürzte sich gleich in seine bastelbude, ohne mit der familie zu essen. dann war er acht jahre auf un-mission in den golanhöhen. und nach den wenigen heimatbesuchen war sich die familie einig, dass es ohne diesen vater besser lief. markus toivo war ein einsames kind, kein vater, keine freunde, er wollte nicht wachsen. und mit brutaler deutlichkeit zeigt der film, dass sich auch einsam fühlen kann, wer vier brüder und zwei schwestern hat. viel eis in dieser familie. der vater, im alter durchaus nicht unsympathisch, zitiert oft gedichte, einmal von einem jungen, der sich dem tod näher fühlt als dem leben. in diesem gedicht habe er sich wiedererkannt, sagt der alte markku - und der junge markus fühlt dasselbe. doch beide geben nicht auf: „das ziel ist lieben und geliebt werden. es braucht noch viel, bis wir am ziel sind. gibt es überhaupt ein ziel?“

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