welche farbe
fällt ihnen ein, wenn sie „kafka“ hören? genau! doch das theater biel solothurn
spielt kafka jetzt nicht schwarz, nicht einmal grau, nein, es spielt „kafka in
farbe“. hinter dem düsteren, grüblerischen, pessimistischen in seinem schmalen
werk suchen max merker, aaron hitz, janna mohr und milva stark den anderen
kafka, den es auch gab. zu beginn liegt er schwitzend und röchelnd auf seinem
totenbett in einer wiener klinik. doch aus diesem bett purzelt fünf
viertelstunden lang das pralle leben: der zu lachanfällen neigende kafka, der
turnende, der tanzende, der schelmisch-melancholische kafka. alles haben sie in
seinen erzählungen und briefen gefunden und daraus ein temporeiches pasticcio
gemacht. viel slapstick, viele gags (von denen einige etwas gar oft wiederholt
werden) – und immer der durchaus liebevolle umgang mit seinen texten. keine
veralberung geschieht hier also, sondern eine erweiterung unserer wahrnehmung
des mannes, den wir aufgrund des berühmten schwarz-weiss-porträts immer so
ernst vor augen haben. „vorläufig stört mich alles“, schreibt er einmal an eine
freundin. kein wunder: eine riesige banane rennt durch den mit – natürlich –
mordsmässigen käfern tapezierten raum, worauf sich die vier kafkas auf der bühne in einen
streit steigern, ob´s denn zu kafkas zeiten schon bananen gab. eine wahrlich
kafkaeske szene, möchte man denken, doch dann kommt prompt die ultimative
abrechnung mit dem inflationären gebrauch, der permanenten überstrapazierung
des begriffs „kafkaesk“. in einer literaturclub-parodie brüllen sie sich das
wort vorwurfsvoll um die ohren, nur ein überkandidelter professor bewahrt die fassung und bemerkt seelenruhig, ihm persönlich scheine dann doch „kafkaös“ treffender. brausender
applaus bei der première in solothurn.
Freitag, 23. September 2022
SOLOTHURN: KAFKA IN FARBE
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