Dienstag, 22. März 2022

MÜNCHEN: ERNST IST DAS LEBEN (BUNBURY)

gentleman sein, mit allem stil und allen verpflichtungen, ist furchtbar anstrengend: kein platz für dekadenz, keine zeit fürs laster. oscar wilde, der wusste, wovon er sprach, führt in seiner „besten komödie“ (wilde über wilde) die ultimative lösung vor: doppelleben. und philipp arnold führt im münchner volkstheater jetzt quasi die ultimative inszenierung dieser ultimativen komödie vor, die hier – in der pfiffigen übersetzung von elfriede jelinek – „ernst ist das leben (bunbury)“ heisst und alles auf die spitze treibt. alles. john erfindet einen bruder ernst in der stadt, um dem landleben entfliehen zu können. algy erfindet einen bruder ernst auf dem land, um mal aus der stadt weg zu können. die echten gentlemen und die falschen brüder kreuzen sich im grandios-farbversoffenen kulissenkitsch (viktor reim), halten inkognito um hände an, verwirren mit ihrem ernst-sein vormund und tante und priester und stiften ernstliche erotische verwirrungen, was die regie noch weiter ausreizt, indem sie den einen gentleman mit einer frau besetzt, die ihrerseits wieder aussieht wie oscar wilde auf dem zenit seines dandytums. alles klar? macht nichts. pascal fligg als tante augusta (im hochgeschlossenen mit würgekragen und mit zwei ausgestopften flamingos auf dem breitrandigen hut) und ein irre konditioniertes ensemble knallen diese komplikationen-kiste mit spiellust und mit sprachwitz dermassen temporeich auf die bretter, dass man selbst beim zuschauen beinahe ins schwitzen kommt. die variante doppelleben kommt schlecht weg, die society kommt schlecht weg – oscar wilde hat sie mit spitzer feder erstochen.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen