Samstag, 5. März 2022

MÜNCHEN: APPLAUS FÜR TOSCA

das opernpublikum kann hart sein. ungerecht. unfair. neustes beispiel: puccinis „tosca“ an der bayerischen staatsoper mit saioa hernández in der titelrolle, piotr beczala als cavaradossi und ambrogio maestri als scarpia – drei famose stimmen, die perfekt harmonieren und von carlo rizzi und dem bayerischen staatsorchester auch perfekt begleitet werden. die besetzung ist neu, die routiniert-gepflegte inszenierung von luc bondy dagegen bereits zwölf jahre alt. beim schlussapplaus dann bravorufe und stürmisches getrampel für beczala und seinen strahlenden, an diesem abend allerdings nicht hundertprozentig treffsicheren tenor, deutlich weniger applaus für die sopranistin. dabei liefert saioa hernández eine grossartige tosca, ein bewegendes und differenziertes rollenbild mit ihrer liebe, ihrer eifersucht, ihrer rache, ihrer verzweiflung bis zu ihrem selbstgewählten tod. auch stimmlich beherrscht sie von den zartesten piano-tönen bis zu den hochdramatischen fortissimo-ausbrüchen das ganze spektrum meisterhaft. ihr „non posso più“, als polizeichef scarpia ihren geliebten cavaradossi im nebenraum foltern lässt, geht auch einem hardcore-opernliebhaber unter die haut. warum also der lauteste applaus für den tenor? weil er am lautesten sang? weil er die folter überlebte? weil er sich arena-di-verona-mässig in pose warf? weil man ihn hier schon seit jahren kennt und die sopranistin, die an der scala und anderen grossen häusern singt, noch nicht? oder hat etwa dieses gehobene münchner opernpublikum schlicht kein auge und kein ohr für differenziertere rollengestaltung? der vorhang zu und alle fragen offen (das ist brecht, nicht brander). deshalb hier jetzt: ein spezialapplaus für tosca, ein spezialapplaus für saioa hernández. brava.

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