Montag, 17. Januar 2022

STANS: LIQUID TIMES

zwei hände lösen aus einem runden reishaufen auf einem dunklen holztisch einzelne körner und drappieren sie daneben zu dekorativen zeichenzeilen, einem geheimnisvollen visuellen gedicht. es sind die hände der in zürich lebenden obwaldner videokünstlerin judith albert. in einem anderen video, das eine nächtliche waldlichtung zeigt, huscht sie als schatten scheinbar schwerelos die bäume hoch und von wipfel zu wipfel, ein tanz oder ein ritual, realität oder traum? judith albert bewegt sich mit all ihren arbeiten zwischen den welten, das macht sie rätselhaft und poetisch: was die betrachterin und der betrachter sehen, assoziieren oder interpretieren, kann ihnen schon im nächsten moment wieder entgleiten. raum- und zeitgefühl beginnen sich aufzulösen und so entwickelt sich ein faszinierender meditativer sog. „liquid times“ (flüssige zeiten) heisst die ausstellung, mit der judith albert jetzt die neue galerie stans eröffnen darf, 22 werke aussen und innen, projektionen auf glas und auf screens, streiflichter auf wände und böden, objekte in pompösen bilderrahmen. einen inspirierenderen start kann man sich für die galerie am dorfplatz 11 in stans nicht vorstellen. aus dem 150 jahre alten zweistöckigen häuslein, in dem lange die zehnköpfige familie flury und dann lange niemand mehr lebte, wurde mit viel liebe zum detail ein richtiges kleinod, das seinen neuen zweck jetzt reichlich erfüllen darf, sind doch allein dieses jahr noch fünf weitere ausstellungen geplant. die sorgfalt, mit der judith albert ihre werke ausgewählt und platziert hat, der dialog, der dadurch entsteht zwischen den alten räumen und den neuen ideen – das dürfte für die weiteren künstlerinnen und künstler massstab und herausforderung sein.

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