Donnerstag, 27. Januar 2022

MÜNCHEN: BAYERISCHE SUFFRAGETTEN

in hautengen weissen trikots und unter plastikschleiern schieben sie sich auf der bühne der münchner kammerspiele von ganz hinten ganz langsam nach ganz vorne: die guten alten geister der münchner frauenbewegung. dazu eine art moderner choral aus elektrosounds und fernen, feinen stimmen. „stricken, sticken, ficken“ – so fassen sie das los der frauen im deutschen kaiserreich ein für allemal zusammen. es gab grossartige frauen, die das ändern wollten, für sich, für alle, für immer. mit „bayerische suffragetten“ setzen die kammerspiele und das stadtarchiv monacensia ihre kooperation fort, mit der sie die frauenbewegung in der stadt „weiter erforschen und erzählen“ wollen. das hat als theaterabend, natürlich, etwas wikipediahaftes, ist aber dank dem maximal diversen ensemble trotzdem ein grosser gewinn und eine wahre freude. keimzelle der bewegung war ab 1886 das fotostudio elvira, an prominenter lage in der innenstadt und mit seinem gigantischen jugendstildrachen an der fassade unübersehbar. den drachen, den die nazis 1933 abschlagen liessen, stellt jessica glause ins zentrum ihrer inszenierung – ein spätes denkmal. mit den beiden seelen dieses fotostudios kommt leben in die bude: annette paulmann als anita augspurg (welche energie, welcher schalk!) und katharina bach als ihre lebensgefährtin sophia goudstikker gehen unbeirrt ihren ebenso kreativen wie subversiven weg, kämpfen für gleichheit, bildung und das recht auf abtreibung und scharen einen bunten und immer grösser werdenden haufen gleichgesinnter um sich. der erste bayerische frauentag 1899 ist der lustvolle höhepunkt der bewegung – und des abends. es ist ganz offensichtlich: der lang anhaltende applaus am schluss gilt nicht nur dem ensemble, er gilt auch den kämpferischen frauen von einst.

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