Montag, 24. Januar 2022

MÜNCHEN: DER GROSSE MARSCH

was soll das theater? was kann das theater? was soll der tod? man kann nicht behaupten, dass der theaterautor wolfram lotz den grossen fragen ausweicht. und ja, auch die unsterblichkeit der seegurke hat ihn vor zehn jahren zu seinem stück „der grosse marsch“ inspiriert. wobei lotz seinen text weniger als stück versteht, sondern eher als protokoll seiner selbstgespräche. ziemlich kopflastige angelegenheit also. im werkraum der münchner kammerspiele inszeniert anne habermehl die teils klugen, teils diffusen textfetzen mit der abschlussklasse der otto-falckenberg-schule als rasante, sinnliche, frisch-freche show. die angehenden schauspielerinnen und schauspieler setzen die wortkaskaden unter strom, bauen eine spannung auf in ganz unterschiedliche richtungen, jagen den ehemaligen deutsche-bank-chef josef ackermann über die bühne (der lieber unter der dusche opern singt als sich zeitgenössisches theater antut), stellen den arbeitgeberpräsidenten dieter hundt mit fragen zur raf bloss, sozialhilfeempfänger treten auf und prometheus und hamlet und reich-ranicki, bakunin schaut ebenso vorbei wie lewis powell, mitverschwörer bei der ermordung abraham lincolns (im theater, eben!). die zeiten mischen sich wild, die gedanken ebenso. doch was nach chaos tönt, ist eine höchst amüsante und vor allem anregende reflexion über die rolle des theaters in einer komplizierten welt. „holen wir sie raus, die wirklichkeit“, skandieren die schauspielschülerinnen und -schüler wieder und wieder. sie kennen ihre aufgabe, die zukunft des theaters ist gesichert. zwischendurch der ruf ins publikum: „wer die wahrheit nicht erträgt, der hätte nicht hierher kommen sollen.“ wir kommen wieder.  

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