Montag, 27. Januar 2020

STRASBOURG: PARSIFAL

wie soll man sich parsifal heute nähern, diesem naiven jüngling, der zum gralskönig mit erlöser-lizenz avanciert? der japanische regisseur amon miyamoto erzählt richard wagners epos an der opéra national du rhin in strasbourg als coming-of-age-geschichte: ein junge, auch optisch parsifals alter ego, sieht sich in einem modernen museum die ausstellung „l’humanité“ an (was im französischen sowohl menschheit als auch menschlichkeit bedeutet). die bilder faszinieren ihn, er fiebert, der parsifal-mythos wird lebendig: klingsors zauberwelt ein thriller, die blumenmädchen fantasy-kitsch, die gralsritter schwer versehrte kriegsheimkehrer aus verschiedenen jahrhunderten und weltgegenden. miyamoto entwickelt in diesem museum einen bilderrausch, der das unterschwellige, vieldeutige, das wagner so liebte und beherrschte, aufnimmt und auf die spitze treibt. der junge und mit ihm das publikum stehen vor immer neuen fragen, denn die utopie vom besseren menschen in einer gewaltlosen welt wird durch aktuelle bilder von waldbränden, bombeneinschlägen usw. immer wieder konterkariert. das wirkt gelegentlich überladen, doch es harmoniert bestens mit wagners verschatteten motiven und expressiven klagen, die dirigent marko letonja mit dem orchestre philharmonique de strasbourg intensiv ausmalt. die strassburger oper, aktuell das „opernhaus des jahres“, gönnt sich auch für diese produktion eine formidable besetzung: thomas blondelle ein in allen facetten strahlender parsifal, christianne stotijn eine wunderbar wandelbare kundry, ante jerkunica ein gurnemanz voller empathischer wärme. am ende seines museumsbesuchs umarmt der junge sie alle freudig und dankbar. sie haben ihm die augen geöffnet, er ist schlauer geworden und er gibt – ganz parsifal 2020 – nicht auf.

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