Mittwoch, 15. Januar 2020

MÜNCHEN: THE VACUUM CLEANER

„er hat versprochen, dass es komisch wird.“ so zitieren die münchner kammerspiele in ihrer saisonvorschau den japanischen autor und regisseur toshiki okada. komisch? okada verhandelt in seinem neuen stück „the vacuum cleaner“ das hikikomori-phänomen: menschen, die mit 50 noch bei ihren hochbetagten eltern leben und kaum oder gar nicht mehr aus dem haus gehen; rund eine million sollen das in japan bereits sein. homare ist eine von ihnen: annette paulmann, mit schwarzem pony, hängt in den drei verschachtelten, fensterlosen zimmern herum, sie ist der gesellschaft abhanden gekommen, kein bezug, keine perspektive, keine energie. lustlos lässt sie die beine von der galerie baumeln, lustlos beobachtet sie die leeren papierkassettenwände, mit dem ebenfalls noch zuhause wohnenden bruder spricht sie nicht. nur der titelgebende staubsauger lockt sie ab und zu aus der reserve. kein wunder, julia windischbauer ist als sauger eine wucht, mit skurrilen geräuschen und asynchronen bewegungen wird er zum epizentrum der gewichenen emotionen. zu seinem lärm schreit sich homare die seele aus dem leib, verwünscht die ganze pathologische gesellschaft, verwünscht vor allem ihren herumsalbadernden vater (walter hess, prächtig senil), fragt sich manchmal, ob sie ihn umbringen könnte, und kommt ganz ungerührt zum schluss: eher er sie. dann malt sie sich im detail aus, wie es sein wird, wenn das blut aus ihren adern spritzt und das bisschen leben, wenn man das noch so nennen kann, aus ihr weicht. komisch? eher liegt eine tragikomische melancholie über diesem abend – und die schwere ahnung, dass „the vacuum cleaner“ nicht einfach ein ethnologisch-scharfer blick in die weite ferne ist. die hikikomori werden als massenphänomen auch andere am leistungsdruck leidende erdteile erobern.

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