Mittwoch, 4. Dezember 2019
MÜNCHEN: HOCHDEUTSCHLAND
knietief und flächendeckend liegt schaum in der kammer
2 der münchner kammerspiele. wie figuren überm nebelmeer waten zeynep bozbay,
jannik mioducki, abdoul kader traoré und julia windischbauer durch dieses
luftige nichts, tauchen ab und zu ab darin und wieder auf, versuchen den schaum
festzuhalten und zu formen. schaum, traum – das bild, das der junge regisseur
kevin barz für die umsetzung des romans „hochdeutschland“ von alexander
schimmelbusch gefunden hat, ist naheliegend und hübsch. die vier watenden sind
alle victor. victor ist ein erfolgreicher investmentbanker, der mit und trotz
seinen millionen nicht glücklich wird. ein profiteur, den die vielen verlierer
rundherum beunruhigen: „der grossteil der bevölkerung ist zu lebenslänglich im
niedriglohnsektor verdammt.“ er denkt nach. er trinkt rotwein für 2000 euro die
flasche und denkt viel nach. die vier deklamieren den fluss seiner gedanken.
die politiker sind nichts wert, die protestierenden eine verschwindende,
erfolglose minderheit, es braucht also ihn, victor. er schreibt (und schreit)
mitten in diesen schaumgebirgen ein manifest über das ende der privilegien, für
eine gerechte umverteilung, für chancengleichheit. er will die mittelklasse stärken,
den wohlstand mehren, deutschland besser machen als andere länder. und schon
landet auch victor im plumpen populismus, vermischt ganz und gar schamlos sozialismus
und nationalismus. schimmelbuschs roman ist eine kurze reise von der utopie zur
dystopie, eine abschreckung für kurzentschlossene weltverbesserer. am ende ist
victor tot, erledigt von jenen, die es noch besser zu können meinen. der schaum
auf der bühne fällt in sich zusammen und wird weggespült.
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