Sonntag, 29. Dezember 2019

MÜNCHEN: DIONYSOS STADT

reihe 2, sitz 2, es kann losgehen. 10 stunden antike an den münchner kammerspielen: christopher rüpings marathon-inszenierung "dionysos stadt", viel poesie, viel politik. und jetzt also 10 stunden auf 20 zeilen? 1. stunde: die raucherinnen im publikum freuen sich, dass ihnen der prolog eine raucherecke auf der bühne anbietet. 2. stunde: zeus spricht arabisch und englisch, "zurückzublicken ist der weg vorauszusehen", belehrt ihn prometheus, schafe blöken dazu. 3. stunde: die schlacht um troja beginnt. wie zeigt man krieg im theater? mit textfetzen von homer und euripides und einem schlagzeugsolo, brutal und wild. 4. stunde: 10 jahre dauert dieser krieg - zorn, feuer, lärm, chaos, der ultimative videoeinsatz. 5. stunde: auf den trümmerhaufen die frauen und ihre endlosen fragen nach dem endlosen krieg, "nicht weinen", sagt eine immer wieder. 6. stunde: grosse pause, kleine gespräche. keine götter, kein gott, nicht die natur und nicht der zufall, sondern wir. wir sind verantwortlich für unser handeln (seit prometheus). 7. stunde: agamemnon kehrt zurück, verfall einer familie, "die orestie" als netflix-serie, perfekte parodie. 8. stunde: "i just eat my children and my brother is the cook." anschliessend lädt apollo zur versöhnung und zur recht-statt-rache-party. 9. stunde: die bühne jetzt ein fussballfeld, die spannung löst sich im satyrspiel, kicken können sie auch. 10. stunde: zum ende der kickerei gibt's "die schwarze karte der melancholie" (jean-philippe toussaints text über zidanes kopfstoss), einen prachtvoll kitschigen sonnenaufgang und eine standing ovation, tosend. glückliche gesichter auf der bühne und im saal. einzig ute in der reihe hinter mir, der der prolog 50 euro versprochen hatte, wenn sie bis zum schluss durchhält, ist nicht mehr da.

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