Montag, 16. Dezember 2019
LUZERN: SALOME MAL ZWEI
zehn tage lang hat sie gekämpft, heather engebretson.
und verloren! ein virus hat die stimme der chinesisch-amerikanischen
sopranistin, die das luzerner theater als ereignis der saison ankündigte,
lahmgelegt. theaterpech. die première von richard strauss‘ „salome“ findet
trotzdem statt. mit zwei salomes. die kurzfristig aus wien eingeflogene sera
gösch singt die rolle auf der seitenbühne, mit dramatischem, oft allerdings
flackerndem sopran. und engebretson, die sängerin, die nicht singen kann und
darf, spielt dazu, bewegt stumm die lippen – und zeichnet trotz dieser
einschränkung ein faszinierendes porträt dieser zwischen reife und verwahrlosung
schlingernden kindfrau. wie sie vor ihrer machthungrigen mutter und ihrem
dauergeilen stiefvater den schleiertanz aufführt, pubertär, erotisch, wild, wie
sie dann den kopf des propheten jochanaan (jason cox, das zweite highlight des
abends) rauschhaft begehrt und liebkost und schliesslich seine toten lippen
küsst, das berührt und beunruhigt: ein monster? wo bleibt die therapeutin? oder
gehören die eltern dieser dysfunktionalen familie da hin? herbert fritsch
verweigert mit seiner inszenierung eine klare deutung, er liefert bilder, die
jede und jeder selber weiterdenken muss. im gegensatz zur musik, die schwül
schillert und vibriert, was clemens heil mit dem luzerner sinfonieorchester
ganz wunderbar hinkriegt, geraten ihm diese bilder einer dekadenten und perversen
gesellschaft oft übertrieben klischeehaft, überzeichnet, überdreht. dies immerhin in einem höchst
eleganten rahmen, der die reize des plakativen voll ausschöpft: die bühne eine
tiefblaue spiegelfläche, darauf zwei kitschige goldthrone wie von jeff koons, über
allem ein riesiger mond, zunächst fahl, später rosa, am ende blutrot. liebe und
tod, nahe beisammen.
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