alle mögen
igor levit. weil er erstens ein sympathischer kerl ist, dem die leicht
diabolischen züge der anderen jungen russischstämmigen piano-berserker abgehen.
und weil er zweitens eine meinung hat, eine haltung, weil er nicht schweigt zu
dingen jenseits der kunst. auch deshalb passt levit bestens zum diesjährigen
lucerne festival mit dem generalthema „macht“. frage im programmheft: „könnten
sie sich vorstellen, eine politische bewegung mit allen ihnen zur verfügung
stehenden mitteln zu unterstützen?“ antwort levit: „auf jeden fall. zum teufel
mit der künstlerischen neutralität! (…) doch natürlich muss ich die möglichkeit
haben, auch wieder abstand zu nehmen, wenn mir das gebaren der mächtigen
missfällt.“ als zugabe nach seinem zweiten rezital in luzern spielt levit paul
dessaus „guernica“, eine bedrückende meditation über sinnlose zerstörung,
inspiriert durch picassos gemälde, mit dem sich dieser gegen künstlerische
gleichgültigkeit wehrte, wenn die höchsten werte der humanität und zivilisation
auf dem spiel stehen. das ist ein signal, das ist levit. der mann geht aufs
ganze, auch künstlerisch: alle 32 klaviersonaten von ludwig van beethoven
spielt er dieses und nächstes jahr in luzern, ein kraftakt. doch es geht levit
nicht um den effekt, er nimmt die töne in sich auf, hört ihnen nach, bringt den
ganzen reichtum dieser klavierwerke zum klingen: verspieltes, verzehrendes,
versehrtes, verwundertes, verklärtes. fünf sonaten sind‘s diesmal, von der
aufmüpfigen in fis-dur (op. 78) bis zur melancholischen in es-dur („les adieux“,
op. 81a). levits interpretation erbringt den beweis, wie viel intimität der
grosse konzertsaal im kkl durchaus auch bieten kann, wie viel zartheit hier
möglich ist. man wähnt sich bei igor im salon.
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