Freitag, 16. August 2019

AVIGNON: UN AUTRE MONDE

was für ein zauber, was für eine eleganz, was für eine sinnlichkeit. im fensterlosen dachboden der collection lambert in avignon trifft der besucher auf eine rote neonröhre. sie windet sich durch mehrere hintereinanderliegende kammern, wirkt schwebend, weil sie auf fast unsichtbaren plexiröhrchen ruht, wirkt endlos, weil eine nebelmaschine die konturen des langen raumes verschwinden lässt, wirkt magisch, weil gedimmte bassklänge durch den nebel wummern. eine rote, gewundene neonröhre. ist es eine grenze, eine flüchtlingsroute, eine lebenslinie, eine börsenkurve, die da im nichts verschwindet? ist dieses nichts der anfang oder das ziel? was verbindet diese linie, was trennt sie? «j’ai rêvé d’un autre monde» nennt der künstler claude lévêque das werk, das er für diesen ort geschaffen hat. eine rote neonröhre, die auf anhieb gefangen nimmt, fasziniert und zur kontemplation nicht nur einlädt, sondern geradezu verführt. man steht oder sitzt gebannt vor dieser schönheit und dieser schlichtheit und kann sich nicht sattsehen. un autre monde ist auch das museum an und für sich: die private collection lambert durfte sich mit staatlicher unterstützung in zwei prächtigen stadtpalästen einrichten, im innenhof ein von platanen beschattetes museumscafé. eine seitengasse nur von den grossen strömen der papstpalast-pilgerer entfernt findet sich hier eine ruhige insel der kunst, ein kraftort für geist und seele, un autre monde.    

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