Samstag, 20. Juli 2019
MÜNCHEN: FRAU KULJIĆ IST HERR SUBUTEX
„ich
entschuldige mich für nichts und ich werde nicht jammern.“ klare ansage. was
virginie despentes ihrer „king kong theorie“ vorangestellt hat, gilt auch für
„das leben des vernon subutex“, ihr gigantisches gesellschaftspanorama, das sie
rund um den bankrott gegangenen plattenhändler subutex entwickelt. einen mann
als hauptfigur hat sich die radikalfeministin ausgedacht, damit der roman
ernster genommen wird. diese taktik ist hundertprozentig aufgegangen. die
münchner kammerspiele drehen das nun noch eine runde weiter und lassen den mann
von einer frau spielen: jelena kuljić, ursprünglich jazzsängerin, ist eine
top-besetzung für diesen subutex. mit ihrer dunklen stimme liefert sie den
perfekten sound für diese milieustudie. die bühne, ihre bühne ist eine
überdimensionierte vinylplatte, die all die randexistenzen ins zentrum spielt.
rattenscharfe dialoge und witzig-abgründige soloeinlagen, düstere filmsequenzen
und immer wieder musik schaffen eine dichte atmosphäre, die dieses leben
zwischen gewalt und pornographie, zwischen xenophobie und cybermobbing verdaut
und verarbeitet. szenenapplaus gibt´s für annette paulmann, die als clochard im
motörhead-t-shirt und springmilbengilet herzergreifend adeles bond-song „let the
sky fall“ schmettert. in diesem hervorragenden ensemble, das sie stützt und
trägt, bleibt jelena kuljić das epizentrum, die starke figur, die bei allen
existenzängsten nie die selbstachtung verliert. genau so ein mensch muss der
autorin vorgeschwebt haben, als sie subutex im dritten band zum guru einer
friedlichen weltverbesserersekte aufsteigen lässt. was für ein jahrmarkt der
hoffnungen und abgründe. regisseur stefan pucher gelingt hier ein sehr
vielschichtiger abend, musikalisch, poetisch, melancholisch, deprimierend. eine
gefühlsgranate, fast wie in der oper.
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